Archiv für den Monat: Januar 2016

Viva Argentina! FIA World Rallycross in Rosario

World RX Team Austria in Argentinien

World RX Team Austria in Argentinien

Nach meiner persönlichen Prämiere in der FIA World RX Szene in Frankreich wurde es zum Ende des Jahres 2015 noch einmal ziemlich spannend bei mir! Wie auch schon beim ersten Einsatz kam die WhatsApp Nachricht von Martin quasi aus dem Nichts bei mir an: „Servus Walter! Sag, hättest Du Zeit, Ende November für das RX Finale nach Argentinien zu fliegen?“ Nach dem obligatorischen (kurzen) Abgleich mit den Terminen in der Firma stand rasch fest, dass ich dabei sein werde. Die Möglichkeit, beim letzten Lauf der Rallycross Weltmeisterschaft auf der südlichen Erdhalbkugel als Teamkoordinator dabei zu sein, konnte ich mir nicht entgehen lassen!

In 13 Stunden von Deutschland nach Argentinien

In 13 Stunden von Deutschland nach Argentinien

Dieses Mal ging es von Linz über Frankfurt mit einem 13 Stunden langen Flug nach Buenos Aires. Der Temperaturunterschied von minus 2 Grad zu plus 30 Grad machte uns allen erstaunlicherweise nicht viel aus. Viel schlimmer war da die Aussicht, mit 2 winzigen Autos die 300 km weite Fahrt nach Rosario in Angriff zu nehmen. Dazu kam noch unser gesamtes Gepäck sowie eine Ford Fiesta Super Car Stoßstange, die auch von Wien aus mit dem Flieger mitgekommen war. Unsere Fahrt führte aber nicht ins Hotel oder zur Rennstrecke, sondern schnurstracks in eine Hinterhof-Werkstatt, in der das ziemlich demolierte Fahrzeug von Manfred neu aufgebaut wurde. Das Auto war nach dem Überschlag in Italien nur notdürftig zusammengeflickt worden und kam danach direkt in den Container für die Verschiffung nach Argentinien.

Ein demoliertes Ford Fiesta Super Car

Ein demoliertes Ford Fiesta Super Car

Während des Rennens kommen normalerweise vorrangig Diagnosestecker und Laptops zum Einsatz. Hier waren jedoch gute alte Spengler- und Schweißarbeiten gefragt. Das Auto war noch komplett verzogen und jedes Rad schaute in eine andere Richtung. Die Türen und Scheiben wurden genauso demoliert und die Auswirkungen auf Motor und Getriebe waren auch noch nicht klar. Durch eine wahre Meisterleistung der Mechaniker wurde das Auto bis zum Abend zumindest so weit rekonstruiert, sodass es auf eigener Achse (und ohne Licht) durch den regen Abendverkehr zur Rennstrecke fahren konnte.

Das Fahrzeug von Janis Baumanis wird vorbereitet

Das Fahrzeug von Janis Baumanis wird für den ersten Trainingslauf vorbereitet

Der Veranstaltungsort des Rennens lag ein paar Kilometer außerhalb der Millionenmetropole Rosario. Die drittgrößte Stadt Argentiniens ist vor allem als Geburtsort von Che Guevara und Lionel Messi nach außen hin bekannt. Der Weg zum Ring führt über eine zweispurige Straße, die zu später Stunde auch gern mal vier- bis fünfspurig befahren wird. Für rallyeerprobte Mechaniker wie uns ist das natürlich kein Problem. Und so gestalteten sich die An- und Abfahrten jeden Tag zu einem Rennen zwischen den beiden Kleinwagen. Das wäre doch mal eine nette Erweiterung für Jeremy Clarkson und sein Team beim erwarteten Top Gear Nachfolger auf Amazon! Nicht nur eine gezeitete Runde mit einem „reasonably priced car“ auf einem Flugplatz, sondern gleich ein Rennen in günstigen Autos gegeneinander – und das während der Rush Hour in London 🙂

Rush hour in Rosario

Rush hour in Rosario

Am Freitag standen wie immer der Aufbau des Serviceplatzes, die Vorbereitung der Rennfahrzeuge und die technische Abnahme auf dem Plan. Dieses Mal nahmen auch wir an der Pressekonferenz teil, weil wir mit Janis Baumanis den regierenden Super 1600 WRX Champion in unserem World RX Team Austria dabei hatten. Janis war kurzfristig für den beruflich verhinderten Teamchef Max Pucher eingesprungen und sollte sich in der weiteren Folge als ein mehr als würdiger Ersatz herausstellen.

Driver's briefing mit Janis Baumanis (copyright by Andris Baumanis)

Driver’s briefing mit Janis Baumanis (copyright by Andris Baumanis)

Der Abend wartete mit einem Event der Superlative auf uns. Direkt neben dem „Monumento Historico“ wurde die Ringstraße gesperrt, um die Rennfahrzeuge im besten Rampenlicht vor tausenden von Zuschauern zu präsentieren. Janis wurde dabei die große Ehre zu Teil, ein paar Runden für die Zuschauer zu drehen und das World RX Team Austria der begeisterten Menge vorzustellen. Danach gab es Autogramme und Selfies mit den Fans. Als mein persönliches Highlight des Abends durfte ich noch mit dem Autotransporter und unserem Rennboliden im Schlepptau mit Polizeieskorte zurück zum Ring fahren. Für unseren Konvoi wurden sogar die Autobahnauffahrten gesperrt und lästige Verfolger von den Motorradpolizisten abgedrängt. Was für ein lustiges Spektakel!

Ford Fiesta Super Car vor dem Monumento Historico

Ford Fiesta Super Car vor dem Monumento Historico

Am Samstag Vormittag wurde es nach dem obligatorischen Track Walk gleich einmal spannend für unser Team. Die erste Trainingseinheit sollte zeigen, ob einerseits Manfred’s Auto wieder einwandfrei funktionieren sollte und bedeutete andererseits das erste Aufeinandertreffen von Janis und dem Ford Fiesta Super Car. Doch alle Bedenken wurden sogleich weggefegt, als wir die ersten Trainingszeiten auf dem Zeitenmonitor sahen. Zwar gab es an Manfred’s Auto noch kleinere Probleme mit dem Turbo, aber beim zweiten Boliden funktionierte alles auf Anhieb perfekt.

Track Walk mit Janis, Manfred und Günther (copyright by Andris Baumanis)

Track Walk mit Janis, Manfred und Günther (copyright by Andris Baumanis)

Leider sollte sich der Rest des Tages nicht so perfekt gestalten wie unsere Organisation und die Abläufe im Team. Aufgrund der extremen Staubentwicklung auf dem Schotterteil des Kurses war die Sicherheit der Fahrer nicht gegeben. Nach unzähligen Diskussionen und Meetings mit den Veranstaltern, den Organisatoren und den Teamchefs wurde schließlich beschlossen, keine Qualifikationsläufe am Samstag abzuhalten. Stattdessen sollte die Strecke über Nacht mit Salz behandelt und gewässert werden. Somit endete der erste Renntag viel früher als geplant. Wir sollten die gesparten Kräfte jedoch ohnehin für den nächsten Tag aufbewahren. Der Plan war nämlich, alle vier Qualifikationsläufe am Sonntag Vormittag abzuhalten und dann noch (hoffentlich) das Semifinale und das Finale am Nachmittag zu absolvieren.

Das World RX Team Austria hält die Fahnen hoch!

Das World RX Team Austria hält die Fahnen hoch!

Unglücklicherweise hatten es die Streckenbetreiber mit dem Salz und dem Bewässern über Nacht etwas übertrieben und so gestaltete sich der erste gezeitete Lauf am Sonntag als eine Rutschpartie. Was sich jedoch noch als viel gravierender herausstellen sollte, war die Tatsache, dass die nachfolgenden Läufe um 10 Sekunden pro Runde(!) schneller wurden. Da mit diesen Voraussetzungen kein fairer Motorsport gewährleistet werden konnte, kamen die Veranstalter nach unzähligen weiteren Diskussionen zu dem Entschluss, dass nach jedem Lauf die Strecke gereinigt und gewässert werden sollte. Dies wurde auch in die Tat umgesetzt, was wiederum zur Folge hatte, dass der letzte Qualifikationslauf gestrichen wurde. Für unser Team war dieser Umstand ein wahrer Glücksfall, denn so kam Manfred trotz Problemen doch noch ins Semifinale. Janis hatte sich bereits aufgrund der hervorragenden Zeiten vorab für das Semifinale qualifiziert und kam immer besser mit dem Ford Fiesta Super Car zurecht.

Janis beim Interview mit dem Reporter vom Veranstalter IMG

Janis beim Interview mit dem Reporter vom Veranstalter IMG

Im Semifinale lief es für Manfred leider nicht so erfreulich, weil er einerseits von mehreren Gegnern gerammt wurde und andererseits die Antriebswelle ihren Dienst quittierte. Somit war für Manfred der Arbeitstag leider vorzeitig beendet, doch Janis konnte mit einer überragenden Leistung den Einzug ins Finale fixieren. Und das bei seinem ersten Antreten in der höchsten RX Kategorie! Den guten Teamgeist im World RX Team Austria powered by Stohl Racing konnte man dadurch spüren, dass alle Mechaniker gemeinsam das ziemlich ramponierte Fahrzeug von Janis in absoluter Rekordzeit an den Start brachten.

Manfred im Gespräch mit Timur Timerzyanov nach dem Halbfinale

Manfred im Gespräch mit Timur Timerzyanov nach dem Halbfinale

Im Finale trafen mit den Brüdern Timmy und Kevin Hansen, sowie dem mehrfachen Champion Petter Solberg, Mattias Ekström und Robin Larsson die unangefochtenen Spitzenfahrer aufeinander. Doch von Nervosität angesichts dieser Ausgangsposition war bei Janis kaum etwas zu bemerken. Mit einer taktischen Meisterleistung und auch etwas Glück gelang es Janis, sich in den ersten Runden im Spitzentrio zu behaupten. Leider war jedoch die Spur vom Semifinale noch etwas verzogen und so gelang es Petter noch, an Janis vorbeizugehen und ihm den dritten Platz wegzuschnappen. Nichts desto trotz feierte unser Team mit dem vierten Gesamtrang das beste Ergebnis in der Saison 2015 – und das mit unserem „Küken“! Obwohl das Auto einem Totalschaden gleich sah, war die Freude im Team unbeschreiblich. Es ist doch immer wieder ein herrlicher Anblick, wenn sich gestandene Mechaniker mit glasigen Augen umarmen und der Grinser nicht mehr aus den Gesichtern verschwindet!

Das erfolgreiche Ford Fiesta Super Car nach dem Finale

Das erfolgreiche Ford Fiesta Super Car nach dem Finale

Wie bei jedem Rennen ist der Tag jedoch mit dem Fallen der letzten schwarz-weiß karierten Flagge noch lange nicht vorbei. Innerhalb von fünf Stunden mussten wir den Serviceplatz abbauen und zwei Rennautos inklusive Material in bereitstehende Container verfrachten. Dabei gibt es keine Schonfrist, denn die netten Herren vom Zoll kommen nur einmal und da muss alles perfekt verräumt und verzurrt sein. Aber auch diese (letzte) Sonderprüfung haben wir bravourös gemeistert. Zum Abschluss dieses bereits sehr ereignisreichen Tages fuhren wir noch zur „End of Season Party“ in einen der angesagtesten Clubs von Rosario. Dort konnten wir nicht nur dem früheren Disco Tänzer Petter Solberg beim Tanzen zusehen. Zur großen Überraschung aller Anwesenden bekam das World RX Team Austria den „Mechanics Moment of the Year“ Award überreicht. Mit diesem Ehrenpreis zeichneten die Veranstalter die Meisterleistung der Mechaniker vom vorletzten WM Lauf in Italien aus. Dort wurde Manfred’s Auto nach einem Überschlag für das darauffolgende Rennen innerhalb von ein paar Stunden repariert und er erreichte mit diesem Auto auch noch das Finale!

Vali mit dem "Mechanics Moment of the Year" Award

Vali mit dem „Mechanics Moment of the Year“ Award

Es war mir eine Ehre, mit dem World RX Team Austria die beiden Läufe in Frankreich und Argentinien bestreiten zu dürfen. Wie sich gestern herausgestellt hat, wird der amerikanische Gymkhana und Youtube Superstar Ken Block ebenfalls mit seinem Ford Fiesta Super Car an der WRX Weltmeisterschaft teilnehmen. Ich kann Euch sagen, ich freue mich bereits jetzt schon wahnsinnig auf weitere Events in der Saison 2016!

Euer Walter Junior

Rosario, Argentinien, Dezember 2015 (copyright by Andris Baumanis)

Rosario, Argentinien, Dezember 2015 (copyright by Andris Baumanis)